Freddys Beinbruch*

Mein Kaninchen Freddy ist 8 Jahre alt. Wie jedes Kaninchen ist er sehr neugierig und springt und hüpft überall hin. Doch eines Tages hat ihn sein Glück verlassen: kurz vor einem erneuten Sprung muss ich zusehen, wie er ausrutscht, sich in der Luft dreht und auf das glatte Parkett knallt. Mir saß der Schrecken noch im Nacken als ich ihn vorsichtig wieder auf die Couch legen wollte um zu sehen, ob er ernsthaften Schaden erlitten hat. Es war ein schrecklicher Anblick. Er war verdreht und zappelte, ich habe gedacht, jetzt hat er sich das Genick angebrochen und bei einer falschen Bewegung ist er weg...

Doch gleich danach hat er wieder einen Sprung gewagt! Ich dachte, ich sehe nicht richtig! Aber ich konnte dabei erkennen, dass er sein linkes Hinterbeinchen angezogen hatte und es nicht mehr bewegte. Also Beinbruch!

Trotz seiner Fähigkeit, noch springen zu können, hatte er eines verloren: seine Balance. Er kippte ständig auf die Seite. Das hat mich anfangs auch so erschrocken.

Ich bin am nächsten Tag gleich zum Tierarzt gegangen, weil ich weitere Verletzungen ausschließen wollte. Ich sehe zwar, dass er sein Bein nicht mehr bewegt, aber ich sehe nicht, was sonst noch verletzt ist.

Nach dem Röntgen war eindeutig klar, er hat sich sein Oberschenkel durchgebrochen. Einmal richtig durch. Mir wurden zwei Varianten vorgeschlagen, wie die nächste Behandlung aussehen könnte:

1. Man macht gar nichts. Die Knochen würden mehr oder weniger selber zusammenwachsen - also so wie sie damals waren: schief und für den Gebrauch nicht mehr geeignet. Die Gefahr war: Es bestand eine hohe Möglichkeit, dass sich ein neues Gelenk bildet und dass sich das Bein durch Reibung entzündet. Die Folgen wollte ich gar nicht wissen...

2. Man operiert. Entweder schraubt man die Knochen zusammen oder das Bein wird mit einer Schiene versehen - wobei Letzteres aufgrund der Lage des Bruches schwieriger wäre. Aber hier bestand wenigstens die Möglichkeit, dass er später sein Bein wieder vollständig oder zumindest ausreichend benutzen könnte.

Nun, und jetzt sollte ich mich entscheiden. Was wäre besser für Freddy? Die erste Variante wäre sicher kostengünstiger, denn eine Operation könnte mich bis zu 300€ kosten. Aber wichtiger als die Geldfrage war natürlich das Wohl meines Kaninchens. Und auch hier musste ich überlegen: Kaninchen und Narkose, das ist keine gute Verbindung. Und mein Kaninchen hatte in seinem Leben schon mindestens 3 Narkosen hinter sich.

Ich nahm die Röntgenbilder mit und ging wieder nach Hause, um zu überlegen. Ich hatte auch eine Überweisung erhalten, für einen Chirurg.

Und ich überlegte und entschied mich: Ich lasse das Bein meines Kaninchens operieren.

Ich ging allerdings nicht zum Chirurgen; vielleicht war das im nachhinein ein Fehler. Der Weg war mir zu weit und ohne Auto wäre das eine Tortur für Freddy. Selbst mit Auto würde es nur unnötigen Stress bedeuten.

Also ging ich zu einer Tierärztin in meiner Straße. Morgens gab ich Freddy in ihre Hände und konnte dann nur noch abwarten. Abends ging ich vorbei um nach ihm zu sehen. Er war noch halb benommen, sein linkes Bein ausgestreckt und bandagiert.

Während ich mich um meinen Kleinen kümmerte, erfuhr ich von der Ärztin, dass sie ihm zunächst eine Schraube eingesetzt, diese aber nicht gehalten hat und die Knochen durch die Schraube noch mehr zersplittert sind. Sie hat sich deshalb für eine Schiene entschieden (entscheiden müssen!), und so lag mein Freddy in seinem Katzenkorb mit einem ausgestreckten Bein, völlig hilflos und sicherlich voller Schmerzen.

Mir gefiel das Ganze überhaupt nicht. Und sie sah wohl meine Absichten, denn sie räumte gleich ein: "Ich behalte ihn noch hier zur Beobachtung." Für sie bedeutete diese Entscheidung vielleicht Sicherheit, für mich allerdings konnte es nur bedeuten, dass Freddy eventuell noch gar nicht aus der Gefahr war. Ich habe mir sehr viele Sorgen gemacht.

Im Endeffekt musste Freddy eine Woche dableiben. Ich besuchte ihn fast täglich. Ihm ging es zum Glück immer besser und das beruhigte mich etwas.

Dann konnte ich ihn endlich mit nach Hause nehmen! Ich setzte ihn in seinem Käfig ab und dort blieb er auch. Sein Bein behinderte ihn sehr, und jeden Schritt, den er vermeiden konnte, vermied er auch. Nach weiteren 3 Tagen wurde der Verband abgenommen.

Ich sah nun sein kleines, kahlrasiertes Beinchen. Er solle laufen, hatte die Ärztin gesagt. Nun, er durfte, aber er wollte nicht. Und als er wollte, konnte er nicht. Er lief, sein Bein hinterher schleppend, im Käfig umher. Springen verbot ich ihm, denn sein lahmes Beinchen war jetzt zu einem Widerhacken geworden, der bei jeder Unebenheit steckenblieb und Freddy hinderte, weiterzugehen. Unbeaufsichtigt war es eine Gefahr, ihn alleine rumhoppeln zu lassen. Sein Bein hing nur noch an ihm, wie eine Leine, die er mit sich herzog.

Und dann kam das, was ich die ganze Zeit über befürchtet hatte. Ich ging in dieser Zeit jeden zweiten Tag zum Tierarzt. Und an einem Tag sagte sie es mir: Das Bein müsse abgenommen werden. Die Schiene habe nicht gehalten und die Knochen seien verrutscht und konnten dadurch nicht abheilen, im Gegenteil: das Bein habe sich schon leicht entzündet.

Ich war damit einverstanden. Ich habe es mitunter selber vorgeschlagen, auch wenn ich es lieber nicht hätte tun müssen. Aber so wie das Bein an ihm hing, hatte es keinen Sinn.

Freddy sollte also erneut operiert werden. Diese Tortur! Es überraschte mich allerdings, dass ich ihn abends nach der Operation wieder mitnehmen durfte! Er hatte auch gar keinen Verband um; das Bein wurde abgenommen und fertig -

Und als ich kam um ihn abzuholen, da bot sich mir ein schreckliches Bild. Das werde ich nie vergessen. Er lag da, zitterte, sein Bein noch blutig - aus der Narbe tropfte es ein wenig - und er knirschte dermaßen mit den Zähnen, dass es mir weh tat. Ich wurde mit ihm alleine gelassen. Ich nahm sein völlig verschrecktes Köpfchen in meine Hände und streichelte es und seinen zitternden, bebenden Körper. Ich sprach leise auf ihn ein und streichelte langsam seine Angst weg. Nach einer Weile war er ganz ruhig. Dann kam die Ärztin und sagte mir nur, ich könne ihn mitnehmen.

Das tat ich auch. Und ab da an ging es bergauf. Er wurde mit der Zeit wieder lebhafter, konnte auch wieder kleine Sprünge machen und aß mit gesundem Appetit.

Heute, 2 Monate nach der Beinabnahme, kann ich folgendes feststellen: ihm geht es gut, seine Balance muss er aber immer wieder finden, denn auf die Seite kippen tut er immer noch. Vielleicht bleibt das auch so. Vielleicht wäre es auch besser gewesen, man hätte gar nichts gemacht; aber vielleicht war das auch der richtige Weg.

*Bericht entnommen von www.kaninchenweb.de, mit freundlicher Genehmigung der Webmasterin

Zurück zum